Chenyu: Chinesische Sprichwörter
Es gibt verschiedene Arten traditioneller chinesischer Sprichwörter. Heute werden in China gern die chinesischen Chengyu genutzt. Chengyu sind Sprichwörter, die immer aus vier Schriftzeichen bestehen und die sich auf ein historisches Ereignis oder eine klassische chinesische Legende beziehen.
Jedes Chengyu seine eigene Geschichte, ohne die es in der Regel nicht möglich ist, den Sinn des jeweiligen Chengyu zu verstehen. Die vier Schriftzeichen eines Chengyu-Sprichworts sind oft Abkürzungen für Namen oder Handlungen, die in der jeweils dazugehörenden Geschichte vorkommen.
Dies sind einige Beispiele bekannter chinesischer Chengyu, zusammen mit einer kurzen Erklärung ihrer Entstehung und der Bedeutung:
Die Welt mit einer einzigen Leistung für sich gewinnen
Chinesisch: Yi ming jing ren.
Bedeutung: Mit nur einer außergewöhnlichen Leistung kann eine Person kann aus Untätigkeit oder Bedeutungslosigkeit aufsteigen.
Geschichte: Dieses Chengyu stammt aus der Zeit der "Streitenden Reiche", als in China zahlreiche Königreiche und Fürstentümer um die Macht kämpften. Es wird erzählt, dass der Graf des Staates Qi während der ersten drei Jahre seiner Herrschaft ein verschwenderischer und genusssüchtiger Mensch war, der sich nicht um die Regierungsgeschäfte kümmerte. Chun Yukun, einer der Hofministerialen des Grafen fragte ihn, warum ein Vogel für drei Jahre weder ein Lied gesungen noch geflogen sei, als indirekten Hinweis auf die Untätigkeit des Herrschers. Der Graf von Qi antwortete, dass dieser Vogel die Welt erstaunen werde, sobald er angängt zu singen.
Die Moral stärken mit dem ersten Trommelwirbel
Chinesisch: Yi gu zuo qi
Bedeutung: Mit nur einer großen Anstrengung etwas erreichen.
Geschichte: Dieses Chengyu stammt aus der Zeit der Frühlings- und Herbstanalen, als es in China viele unabhängige Staaten gab, die oft gegeneinander Kriege führten. Während eines solchen Krieges standen sich die Armeen der Staaten Qi und Lu gegenüber, bereit zum Kampf. Der Graf des Staates Qi gab den Befehl zum Trommelwirbel, um den bevorstehenden Angriff anzukündigen. Aber der König des Staates Lu zögerte, auf anraten seines Beraters Cao Gui, und ließ seine Truppen nicht Vorrücken. So lief die Armee aus Qi ins Leere und musste den Angriff abbrechen. Auch beim zweiten Trommelwirbel verlief der Angriff aus Qi ohne Antwort und musste abgebrochen werden. Erst beim dritten Anlauf rückten auch die Truppen aus Lu vor und schlugen die Armee aus Qi im Kampf. Der König fragte seinen Berater, warum dieser erst nach zweimaligem Zögern angreifen ließ. Cao Gui antwortete, dass die Moral des Gegners beim ersten Trommelwirbel am höchsten war. Beim zweiten Trommelwirbel bereits geschwächt, und beim dritten Trommelwirbel schließlich bereits weitgehend zerstört. Der Angriff war also erfolgt, als die gegnerische Moral auf ihrem Tiefpunkt angekommen war.
Den Tischlermeister Lu Ban mit der Axt beeindrucken
Chinesisch: Banmen nong fu.
Bedeutung: Mit diesem Chengyu werden die kritisiert, die jede kleine Fähigkeit sofort stolz vorführen.
Geschichte: Der Tischlermeister Lu Ban ist eine sagenumwobene Figur aus der chinesischen Geschichte, der über viele Jahrhunderte als der beste Tischler und Vorfahre aller anderen Meister galt. Ihm wird nachgesagt, einen Vogel geschnitzt zu haben, der so lebensnah war, dass er tatsächlich fliegen konnte. Der Tischlermeister Lu Ban stellt damit symbolisch für unerreichbare Fähigkeiten. Zu versuchen, diesen Meister zu beeindrucken, indem man ihm die eigenen Fähigkeiten im Umgang mit der Axt zeigt, erscheint wenig klug.
Der Fuchs nutzt die Maske des Tigers
Chinesisch: Hu jia hu wei.
Bedeutung: Die Macht eines anderen nutzen um andere zu beeindrucken.
Geschichte: Dieses Chengyu basiert nicht auf der chinesischen Geschichte, sondern hat seine Wurzeln in einer Sage. Diese chinesische Sage erzählt von einem Tiger, der eines Tages einen Fuchs fing und ihn verspeisen wollte. Um dies zu verhindern, warnte der Fuch, dass er ein vom Himmel gesandtes Tier sei. Würde der Tiger ihn verspeisen, würde er den Himmel gegen sich aufbringen. Zum Beweis lud der Fuchs den Tiger ein, gemeinsam durch den Wald zu gehen, damit dieser die Furcht der anderen Tiere vor dem Fuchs sehen könne. Der Tiger war beeindruckt von den Aussagen des Fuchses und einverstanden, diesen in den Wald zu begleiten. Und wirklich, während der Fuchs und der Tiger gemeinsam durch den Wald gingen, liefen alle Tiere denen sie begegneten voller Angst davon. Der Tiger bemerkte nicht, dass die Tiere eigentlich vor ihm selbst davonliefen und glaubte nun dem Fuchs, dass dieser wirklich ein mächtiges, vom Himmel gesandtes Wesen sein müsse.