Städtisches und ländliches China
China ist nicht gleich China. Das Land ist so vielfältig wie Europa oder der amerikanische Kontinent. Das ist wohl nicht verwunderlich, denn immerhin hat China so viele Einwohner wie Europa, Arabien und Afrika zusammen! Aber Unterschiede gibt es nicht nur durch die vielen unterschiedlichen Regionen.
Der wohl deutlichste kulturelle Schnitt in der chinesischen Gesellschaft besteht zwischen städtischen Chinesen und den Menschen in kleinen Dörfern in China. Denn zwischen Stadt und Land gibt es oft auch ein deutliches Gefälle im Bezug auf die wirtschaftliche Entwicklung und damit auch auf Bildung und Verhalten, besonders aber die Modernisierung der Gesellschaft.
Der ländliche Raum ist dabei deutlich konservativer, ein Verhalten das auch aus anderen Ländern in ähnlicher Form bekannt ist. In China bedeutet konservativ jedoch, dass der ländliche Raum der "alten" Mao-Zeit und seinem gesellschaftlichen Aufbau näher ist, als dies in den Städten der Fall ist.
Städte wie Shanghai oder Guangzhou, aber auch mittlere Großstädte wie Hangzhou oder Ningbo haben die kommunistische Zeit bereits weitgehend hinter sich gelassen. Die Einwohner sitzen in Cafés oder Teehäusern, schlendern durch die Fußgängerzonen, shoppen in modernen Einkaufzentren, und Verkehrsstaus zur Rush-Hour sind genauso allgegenwärtig wie in jeder Großstadt in Europa.
Nach nur einer Stunde Autofahrt in die Umgebung einer solchen Stadt jedoch, und es präsentiert ein völlig anderes Bild von China. Obwohl auch hier die Moderne Einzug hält - in Form von Schnellstraßen und dem oft guten Ausbau der Infrastruktur innerhalb der Dörfer - fühlt man sich doch in einem ganz anderen China.
Die vielen Taxis auf den Straßen der Stadt sind hier kleine motorisierte Dreiräder mit einem klapperigen Metallkasten am Heck, in dem der Fahrgast vor Regen geschützt sitzen kann. Oft sind Taxis auch nur Motorräder, auf dem neben dem Fahrer durchaus auch bis zu drei Personen mitfahren (plus Einkaufstüten oder ähnlichem).
Das ländliche China profitiert jedoch ebenso wie die Städte Chinas sehr deutlich von der aktuellen Entwicklungspolitik des Landes. Selbst in abgelegenen Dörfer sieht man während der chinesischen Feiertage (zum Beispiel zum Chinesischen Neujahr) vor viele Häusern Autos stehen, und nicht selten wird ein Haus ausgebaut oder ein Neubau errichtet.
Denn besonders die jungen Erwachsenen bemühen sich, Arbeit in den Städten zu finden und verdienen dort oft wesentlich besser als es auf dem Lande möglich wäre. Das Geld fließt dann oft zurück in den Ort der Herkunft, wo das Haus der Familie, in dem die Eltern wohnen, erweitert wird. Der chinesische Generationenvertrag ist zwar nicht in Paragrafen gegossen, funktioniert jedoch bisher.
Anderseits entsteht durch die schnelle Entwicklung der ostchinesischen Großstädte auch zunehmend ein wirtschaftliches Ungleichgewicht zwischen Stadt und Land in China. Besonders in den letzten Jahren ist dieses Problem auch zunehmend Gegenstand der politischen Diskussionen in China geworden und ist inzwischen, neben dem Thema Umweltschutz und Nachhaltigkeit, zu einem der Hauptthemen in der Rethorik der Kommunistischen Partei des Landes geworden.